Jan-Lennard Struff: "Es ist verrückt, wie schnell es nach oben ging"

Jan-Lennard Struff ist der Mann der Stunde im deutschen Tennis. Nach dem Erreichen des Viertelfinales in Monte-Carlo folgte die Finalteilnahme beim Masters in Madrid.

(c) Philipp Reinhard

Die Erfolgsserie brachte ihn bis auf Platz 28 der Weltrangliste – die beste Platzierung seiner Karriere. Im Interview spricht der 33-Jährige über die Reaktionen auf seinen Erfolg, seine persönliche Entwicklung auf dem Platz und die bevorstehenden French Open.

Jan, nach dem Endspiel in Madrid warst du ein paar Tage zu Hause bei deiner Familie und konntest Abstand gewinnen. Musst du trotzdem noch oft an das Finale denken?

Ich habe zwei Tage komplett frei gemacht. Es war sehr schön, nach längerer Zeit wieder zu Hause bei meiner Familie zu sein. Zum Ausruhen oder Verschnaufen bleibt aber auch da wenig Zeit. Durch meine zwei Kids gibt es immer etwas zu tun. Deshalb bin ich auch eher selten dazugekommen, noch viel über das Finale nachzudenken. Aber das ist auch gut so. Der Sport ist so schnelllebig und es geht jetzt schon wieder daran, auf den Platz zu gehen und für die nächsten Herausforderungen zu trainieren. Trotzdem gibt es immer wieder diese einzelnen Momente, in denen die Bilder aus Madrid hochkommen. Das haben wir im Team auch noch einmal verstärkt und uns ein paar Highlights angeschaut. Ich möchte diese positiven Emotionen mit in die nächsten Wochen nehmen.

Eine Aktion, die in Erinnerung blieb, war, als Du nach dem Sieg gegen Tsitsipas, deinem Sohn Henri eine besondere Botschaft über die Kameras geschickt hast. Hat er sie eigentlich gesehen?

Ja, er hat mir direkt am nächsten Tag gemeinsam mit meiner Freundin eine Sprachnachricht gesendet. Sein Vater und die Minions grüßen ihn aus dem Fernseher. Das hat ihn schon sehr gefreut, glaube ich.

Wie sind darüber hinaus die Reaktionen auf deinen Erfolg ausgefallen?

Es war definitiv ein sehr besonderes Turnier für mich. Das erste Mal in einem Masters-Finale und das als Lucky Loser – das ist schon verrückt. Ich wäre gerne noch den letzten Schritt gegangen und hätte das Turnier gewonnen. Ich habe alles reingehauen, aber es hat am Ende leider nicht gereicht. Auch an den Reaktionen und den vielen Nachrichten, die mich erreicht haben, habe ich gemerkt, dass viel mehr Leute als sonst meinen Weg verfolgt haben. Ich bin ehrlicherweise nicht hinterhergekommen, jedem, der mir geschrieben hat, auch zu antworten. Dafür waren es einfach zu viele Nachrichten. Sorry dafür, aber ich danke allen, die an mich gedacht haben. Ich habe mich sehr darüber gefreut.

Insbesondere dein Offensivspiel hat für Begeisterung gesorgt. Würdest du sagen, dass das in dieser Konsequenz neu war?

Ich glaube nicht, dass meine Spielweise in Madrid eine andere war als sonst. Ich versuche immer aggressiv zu bleiben. Es waren eher die Bedingungen vor Ort, der schnelle Untergrund und der gute Absprung, die meinem offensiv ausgerichteten Spiel sehr entgegenkamen.

Du bist der erste Spieler, der bei einem ATP-Turnier sechs Dreisatz-Matches hintereinander spielen musste. War dir das bewusst und wie hat es sich für dich angefühlt?

Ich habe es auch nach dem Finale in den sozialen Medien gelesen und konnte es nicht wirklich glauben, dass es das noch nie gab. Klar, als Lucky Loser ins Finale eines Masters-Turnier zu kommen, erscheint erstmal nachvollziehbar, dass das nicht so oft vorkommt. Aber sechs Dreisatz-Matches hintereinander habe ich jetzt nicht für einmalig gehalten. Ich habe es auch körperlich nicht wirklich gespürt, sondern habe mich auch im Finale noch ziemlich fit gefühlt. Nur mental habe ich es als anstrengend empfunden. Ich habe vorher noch nie neun Matches in einem Turnier gespielt. Und über diesen langen Zeitraum gegen Top-Leute die gleiche Spannung und Konzentration zu halten, ist schon herausfordernd.

Mit 33 Jahren konntest du damit den größten Erfolg deiner Karriere erzielen und dein bestes Ranking in der Weltrangliste erreichen. Wie erklärst du dir diesen Erfolg zu diesem Zeitpunkt?

Ich kann selbst nicht glauben, wie es bislang gelaufen ist. Ich hatte ein hartes letztes Jahr, bin mit Position 150 in die Saison gestartet und habe mich in Australien dann erstmal gleich wieder verletzt. Dass ich jetzt wenige Wochen später auf Platz 28 stehe, ist unglaublich. Wie schnell das nach oben ging, ist wirklich verrückt. Es gibt dafür kein Geheimrezept, nur harte Arbeit und 100-prozentiges Engagement.

Mit deinen 33 Jahren bis du in den Top 100 in guter Gesellschaft. Über 30 Spieler sind momentan über 30 und viele der Spieler über 25 Jahre. Braucht es im Tennis ein gewisses Alter, um seine beste Leistung zu bringen?

Es gibt definitiv viele Dinge, die ich meinem 20-jährigen Ich heute voraus habe und die ich ihm mitgeben könnte. Es wäre auch schlimm, wenn das nicht so ist. Man hat mehr Erfahrung und kriegt ein viel besseres Gespür dafür, was einem gut tut und was nicht. Man lernt die Dinge besser einzuordnen und sich und seinem Gefühl mehr zu vertrauen. Das sind wichtige Eigenschaften, um auf der Tour zu bestehen.

Gehören dazu auch die richtige mentale Einstellung und eine positive Körpersprache?

Auf dem Platz sind es vor allem die mentalen Dinge, die ich erst später verinnerlicht hab. Gerade zu Beginn meiner Karriere war ich eher introvertierter auf dem Platz. In den letzten Jahren versuche ich auch durch positive Körpersprache noch etwas mehr Energie zu bekommen. Jeder, der Tennis spielt, weiß, wie schwierig es ist, immer positiv auf dem Platz zu bleiben. Aber wäre ich nach dem verlorenen zweiten Satz gegen Tsitsipas frustriert oder wütend geblieben, wäre es noch schwieriger geworden, das Match zu gewinnen. Daher gibt es für mich nur diesen einen Weg, um erfolgreich zu sein: „Never quit“ und versuchen immer positiv zu bleiben.

Es ist jetzt möglich, dass du in den nächsten Wochen die neue deutsche Nummer 1 werden kannst. Würde dir das etwas bedeuteten?

Nein, das ist nebensächlich für mich. Ich schaue auf mich und freue mich über meine Ergebnisse und die beste Weltranglistenposition meiner Karriere. Wir haben mit Sascha jemanden, der seit Jahren die klare Nummer 1 in Deutschland ist. Dass ich jetzt so nah an ihn herangerückt bin, ist nur seiner langen Verletzung geschuldet und dass ich wiederum keine Punkte zu verteidigen hatte. Ich bin mir sicher, dass auch er demnächst wieder weiter oben in der Rangliste stehen wird.

Was kannst du aus den vergangenen Wochen für die French Open mitnehmen?

Wenn ich darüber nachdenke, ist es wirklich verrückt. Vor Monte-Carlo war ich noch nicht einmal sicher im Hauptfeld und jetzt, ein paar Wochen später, bin ich in Paris gesetzt. Das ist mit Sicherheit ein Vorteil, aber auch außerhalb der Setzliste gibt es viele Spieler, die richtig gefährlich sind. Ich habe sehr gute Erinnerungen an die French Open, weil ich hier zweimal die vierte Runde erreicht habe. Ich würde lügen, wenn ich nicht hochmotiviert in Paris an den Start gehe. Aber ich bin immer gut gefahren, konkrete Zielsetzungen nur innerhalb des Teams zu kommunizieren. Was ich aber definitiv sagen kann, nachdem ich im vergangenen Jahr nicht dabei sein konnte: Ich freue mich sehr wieder nach Paris zurückzukommen.