Jan-Lennard Struff im DTB-Interview

„Die besondere Energie im Team kann große Kräfte freisetzen“.

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Jan-Lennard Struff war mit seinen drei Siegen in Hamburg ein entscheidender Faktor für den Einzug der deutschen Davis Cup-Mannschaft ins Viertelfinale. Im Interview spricht er über eine persönlich sehr aufregende Zeit, seinen möglichen Gegner Denis Shapovalov und wie im Tennis ein Ball manchmal alles beeinflusst.

Jan-Lennard, es sind jetzt knapp zwei Monate vergangen nach deinen furiosen Auftritten beim Davis Cup in Hamburg. Wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen?

Es war eine aufregende Zeit für mich. Ich bin Mitte Oktober zum zweiten Mal Vater eines Sohnes geworden. Das stellt natürlich alles andere in den Schatten. Ich wollte unbedingt bei der Geburt dabei sein. Deshalb war ich nach dem Davis Cup und dem Turnier in Sofia knapp drei Wochen raus, um meine Frau zu Hause zu unterstützen und rechtzeitig vor Ort zu sein.

Wie vereinbarst du es Profisportler und Familienvater zu sein?

Es ist immer eine schwierige Gratwanderung. Einerseits ist mir bewusst, dass ich 32 bin und meine Zeit als Profisportler begrenzt ist. Ich will in den verbleibenden Jahren alles tun, um erfolgreich zu sein. Auf diesem Niveau bedeutet das, ohne Kompromisse viel Zeit und Arbeit zu investieren. Das ist nur durch den starken Rückhalt meiner Frau möglich. Auf der anderen Seite weiß ich genau, dass auch die Zeit, in der meine Kinder groß werden, nicht zurückkommt. Daher versuche ich zwischendurch immer auch viel zu Hause zu sein.

Wie ist es dir sportlich ergangen? Hast du die Siege aus Hamburg im Rücken gespürt?

Definitiv. Ich habe gleich danach in Sofia auf einem sehr guten Level weitergespielt und vier Matches hintereinander gewonnen. Nach der Babypause wollte ich dann zu viel, habe in Basel zu früh wieder angefangen und gleich verloren. Beim Challenger in Bergamo war ich schon wieder auf dem Niveau vom Davis Cup und konnte das Finale erreichen.

Als Außenstehender hat man manchmal das Gefühl, dass im Tennis ein Ball eine Entwicklung über Wochen beeinflussen kann. Nimmst du das auch so wahr?

Das ist ganz sicher so. Hätte ich in der ersten Partie in Hamburg gegen Bonzi die Matchbälle nicht abgewehrt und das Spiel noch gedreht, wären vermutlich auch die folgenden Spiele anders gelaufen. Andersherum hatte ich beim ATP-Turnier in Hamburg gegen Khachanov Matchbälle, die ich nicht nutzen konnte und verliere am Ende. Das hat sich dann auch auf die folgenden Wochen ausgewirkt, die schwierig für mich waren. Tennis ist manchmal ein brutaler Sport, in dem so viel vom Kopf, Kleinigkeiten und dem Glück im richtigen Moment abhängt.

In Málaga könntest du, im Falle einer Nominierung, auf Denis Shapovalov treffen, gegen den du schon oft gespielt hast. Wie schätzt du ihn ein?

Ja, sollte es dazukommen, dass Michael mich aufstellt, könnte es schon zu unserem neunten Aufeinandertreffen kommen. Ich konnte ihn schon einige Male schlagen, habe aber zwei der letzten drei Matches gegen ihn verloren. Zudem hat er auf Hardcourt, wo ich ihn am stärksten finde, öfter gegen mich gewonnen. Er ist ein wahnsinnig guter Spieler, der ein unglaubliches Jahr hat und dem ich selber gerne zuschaue. Er hat brutale Grundschläge, einen guten Aufschlag, ist extrem athletisch und auf dem Platz wie ein Flummi, der keinen Ball verloren gibt. Wir hatten fast immer sehr gute und enge Matches gegeneinander. Ich erwarte einen harten Fight.

Neben Shapovalov hat Kanada mit Félix Auger-Aliassime momentan einen der besten Spieler der Welt in den Reihen. Wie schätzt du eure Chancen ein?

Sie haben schon ein unglaublich gutes Team. Das muss man einfach anerkennen. Wir sind in Málaga definitiv der Außenseiter. Aber wir müssen uns wirklich nicht verstecken und an unsere Chance glauben. Dann können wir auch gegen Kanada etwas reißen.

Es wird von allen Seiten immer wieder das starke Zusammengehörigkeitsgefühl in eurer Mannschaft betont. Glaubst du, dass ein guter Teamspirit helfen kann, auch nominell bessere Teams zu schlagen?

Auf jeden Fall. Wir haben das schon im vergangenen Jahr bei den Finals in Innsbruck unter Beweis gestellt, dass diese besondere Energie, die wir im Team haben, große Kräfte freisetzen kann. Wir verbringen jetzt auch vor dem Davis Cup gemeinsam ein paar Tage in Österreich. Wir hatten nur eine begrenzte Zahl an Zimmern zur Verfügung, aber wollten, dass auch möglichst viele vom Betreuerstab mitkommen. Da haben alle Spieler sofort gesagt, dass sie auch zu zweit ins Zimmer gehen und das Sofa nehmen würden. Das zeigt einfach, welcher Geist in diesem Team steckt.