Michael Kohlmann: „Als nächstes gewinnen wir den Davis Cup“

Michael Kohlmann ist Chefbundestrainer und Kapitän des Deutschen Davis Cup-Teams. Im Interview spricht er über seine Vertragsverlängerung beim Deutschen Tennis Bund (DTB), die sportlichen Erfolge der letzten Wochen und sein Lieblings-Kartenspiel…

Der Davis Cup lief mit dem Halbfinaleinzug recht erfolgreich für die Deutschen Tennis-Männer. Wie hast du die Zeit erlebt und wie zufrieden warst du mit der Mannschaft?

Die Wochen in Innsbruck und Madrid sind für uns quasi optimal gelaufen. Natürlich wünscht man sich am Ende, dass man vielleicht noch den einen oder anderen Schritt weiter geht. Aber mit der Besetzung unseres Teams und der Gruppe, in die wir gelost wurden, war es nicht unbedingt zu erwarten, dass wir Gruppensieger werden und dann auch noch England schlagen. Als Mannschaft haben wir da nochmal einen Schritt gemacht, sind noch enger zusammengewachsen. Die Jungs verstehen sich sehr gut – auf und neben dem Platz. Und man hat gesehen, was eine Mannschaft in der Lage ist zu erreichen. Gegen Russland mit seinen zwei Topspielern (Medvedev und Rublev, Anm. d. Red.) hat es zwar nicht gereicht, aber so weit weg sind wir davon nicht. Besonders, weil wir zuletzt immer ein sehr gutes Doppel auf dem Platz hatten. Das müssen wir mitnehmen ins neue Jahr. Und wenn Sascha mit dabei ist, können wir gegen jedes Team der Welt gewinnen.

Wie ist denn der aktuelle Stand – wird Alexander Zverev dieses Jahr beim Davis Cup dabei sein?

Das ist schwer zu sagen. Es gibt gerade Gespräche darüber, wie das neue Format dieses Jahr laufen soll. Ich glaube, dass die IFT nach Lösungen sucht und denke, dass Sascha da auch involviert ist. Ich könnte mir schon vorstellen, dass die ITF Topspieler binden möchte. Und Sascha hat immer gesagt, dass er den Davis Cup irgendwann mal mit Deutschland gewinnen möchte. Ich bin davon überzeugt, dass er dieses Ziel noch immer hat. Ob das schon dieses Jahr sein wird, muss man abwarten...

Zu Beginn des Jahres gab es den ATP Cup, ein weiteres Team-Event. Was war anders als beim Davis Cup?

Beim Davis Cup wird das komplette Betreuerteam vom DTB gestellt. Das ist beim ATP Cup anders. Dort müssen die Spieler selbst melden und sind mit ihrer eigenen Crew unterwegs: Sascha hatte sein Team dabei, Jan-Lennard Struff seinen Konditionstrainer und Physio – ich war der einzige Betreuer vom DTB. Ansonsten waren nur noch die drei anderen Spieler dabei (Yannick Hanfmann, Kevin Krawietz und Tim Pütz, Anm. d. Red.). Das Team war also recht klein. Die Dynamik war aber genauso klasse. Und das ist das Schöne: Ich muss mir keine großen Gedanken machen, wen ich nominiere, weil die Jungs sich alle wirklich gut verstehen. Es macht keinen Unterschied, ob Sascha dabei ist oder nicht, ob Yannick Hanfmann, Andy Mies oder Dominik Koepfer – die Stimmung ist immer super. Auch in Melbourne spielen alle zusammen Karten.

Apropos „gemeinsam Kartenspielen“. Beim Davis Cup war „6 nimmt!“ euer liebster Pausenfüller!?

(lacht) Das stimmt! Mir hat das sofort extrem gut gefallen. Deshalb habe ich es mir selbst zu Weihnachten geschenkt und jetzt mit nach Australien gebracht. Wir haben es hier auch schon häufig gespielt. Es ist immer noch heiß begehrt.

Du hast deinen Vertrag als Chefbundestrainer und Davis Cup-Kapitän beim DTB im November verlängert. Welche Ziele hast du für die nächste Zeit?

Natürlich wäre es großartig, irgendwann einmal um den Davis Cup zu spielen – vielleicht nicht 2022, aber in der Zukunft. Ich mache das jetzt seit 2015 und während wir in den ersten Jahren noch gegen den Abstieg kämpften, haben wir uns zuletzt stetig gesteigert. Das nächste Ziel ist dann, den Davis Cup einmal zu gewinnen. Als Chefbundestrainer ist es mein Fokus, die Jugendarbeit weiter sehr gut aufzustellen, damit im internationalen Feld eine Topplatzierung möglich ist. Beim Übergang vom Jugend- in den Herrenbereich müssen wir die Jugendlichen so fördern, dass sie das schaffen. Wir wollen auf lange Sicht dahin kommen, dass wir acht bis zehn Spieler in den Top 100er-Bereichen haben – in der Jugend, und bei den Männern.

Das nächste Ziel ist im März erst einmal Rio – mit ganz anderen Bedingungen als in Innsbruck. Wirkt sich das auf deine Entscheidung aus, wen du mitnimmst?

Klar, man versucht Spieler dabei zu haben, die sich auf Asche wohl fühlen. Brasilien ist ein sehr unangenehmes Los: Die Temperaturen sind für Europäer nicht einfach, gerade im März ist es sehr heiß und schwül. Aus der Innsbruck-Mannschaft hat bisher keiner diesen Trip gespielt, präferiert niemand im März einen Sandplatz. Aber ich gehe davon aus, dass wir eine tolle Truppe zusammenstellen. Vielleicht bekommen auch mal neue Spieler eine Chance…

Die Mannschaft könnte also wieder anders aussehen. Wie wichtig ist denn Teambuilding bei solchen Wettbewerben?

Tennis ist ein Einzelsport, aber gerade deshalb sind Teamwettbewerbe extrem wichtig. Man kann sein Match verlieren und trotzdem als Mannschaft gewinnen. Die Gemeinschaft kann Berge versetzen. Dass ein guter Teamspirit in engen Situationen hilft, hat man in Innsbruck gut gesehen, wo wir von der Rangliste her immer Außenseiter waren. Wenn man weiß, dass zehn Mann hinter einem stehen, auch wenn man Fehler macht, motiviert das ungemein. Deshalb sind alle heiß und wollen dabei sein, weil sie das Gefühl haben, dass das wirklich etwas Besonderes ist. Auch unser Betreuerteam ist eine geschlossene Einheit und im Kern seit 2015 zusammen. Man weiß einfach, dass man sich auf den anderen verlassen kann.

Das Wichtigste zum Schluss: Ist „6 nimmt!“ auch in Rio dabei?

(lacht) Absolut! Wir nehmen einigen Spiele mit nach Brasilien – „6 nimmt!“ gehört ganz sicher dazu.

Interview: Franziska Staupendahl